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Jeder vierte Platz von Kürzungen bedroht

500 junge Menschen feierten am Donnerstag, den 2. November 2023 in einem festlichen Gottesdienst in der Marktkirche in Hannover ihren Start in den Freiwilligendienst bei der Diakonie in Niedersachsen. 

Dr. Christine Arbogast, Staatssekretärin des Niedersächsischen Sozialministeriums drückte in ihrem Grußwort ihren Dank für das freiwillige Engagement der Jugendlichen aus. „Dass Sie sich für meist ein ganzes Jahr in den Dienst der Gesellschaft stellen, ist nicht selbstverständlich. Dafür möchte ich mich bei Ihnen allen herzlich bedanken. Sie leisten mit Ihrer Arbeit einen wertvollen Beitrag für den Zusammenhalt in der Gesellschaft“, so die Staatssekretärin. 

Die Diakonie in Niedersachsen bietet jährlich für bis zu 750 Menschen die Möglichkeit, einen Freiwilligendienst zu absolvieren. In vielfältigen Einrichtungen der Diakonie, wie z.B. in Kitas, Schulen, Krankenhäusern, Einrichtungen der Behindertenhilfe und Senior*innenheime sowie in Kirchengemeinden engagieren sie sich freiwillig für sechs bis 18 Monate, in der Regel sind es 12 Monate.  

Trotz der immer wieder aufkommenden Diskussion um ein soziales Pflichtjahr, das unter anderem der Bundespräsident fordert, sind im derzeitigen Bundeshaushaltsentwurf für 2024 massive Kürzungen im Bereich der Freiwilligendienste eingeplant. Bisher sind Kürzung der Bundesförderung von rund 25% gegenüber 2023 vorgesehen.  

Für den Freiwilligendienst als Bildungs- und Orientierungsjahr interessieren sich nach wie vor viele junge Menschen in Niedersachsen, rund 60% entscheiden sich anschließend für eine Ausbildung im Sozial- und Gesundheitsbereich. Sollten die Kürzungen umgesetzt werden, wird sich auch der Fachkräftemangel nochmals zusätzlich verschärfen, da ein wichtiges Recruiting-Instrument beschnitten würde. 

Hans-Joachim Lenke, Vorstandssprecher der Diakonie erläutert dazu: „Sollte der derzeitige Haushaltsentwurf so umgesetzt werden, wären aller Voraussicht nach im Schnitt ein Viertel aller Freiwilligendienststellen bedroht. Für die Einrichtungen vor Ort bedeutet dies ein weiterer Wegfall von Unterstützer*innen in Zeiten eines eh schon verstärkten Arbeits- und Fachkräftebedarfs. Aktuell tun wir alles, um die Kürzungen auf Bundesebene zu verhindern und möglichst viele Stellen im Freiwilligendienst für junge engagierte Menschen zu erhalten.” 

Welche Auswirkungen die Kürzungen für die Einrichtungen und auch für die Freiwilligen hätten, wurde durch eine Aktion während des Gottesdiensts deutlich. In einigen Reihen wurden Sitzplätze in der Kirche abgesperrt bzw. mit einem DinA4 Plakat „Mein Platz ist von Kürzungen bedroht“ belegt. 

„Mit dem Freiwilligendienst übernehmen jedes Jahr hunderte Menschen Verantwortung für die Gesellschaft und das soziale Miteinander in Niedersachsen. Die damit verbundenen Bildungsseminare leisten einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung eines Demokratieverständnisses und der Selbstwirksamkeit junger Menschen. Für uns macht es daher keinen Sinn, bei einem so erfolgreichen Programm Mittel zu kürzen. Gerade in Zeiten wie diesen brauchen wir die Möglichkeit, für all die jungen Menschen, die sich für einen Freiwilligendienst interessieren, auch einen Platz zu schaffen“, so Henrike Heierberg, betriebswirtschaftliche Leitung des Freiwilligendienstes bei der Diakonie in Niedersachsen. 

Wie prägend ein Freiwilliges Soziales Jahr sein kann, führen ehemalige und derzeitige FSJler*innen aus:  

Levin Seifert macht gerade ein Freiwilliges Soziale Jahr im Krankenhaus: 

„Die Arbeit für den Menschen macht mich glücklich. Zu sehen, was ich im Rahmen des FSJs leisten kann, erfüllt mich. Das FSJ bestärkt mich zudem im Wunsch Mediziner zu werden.“ 

Ole Gröger, Chiara Dirks sowie Laura Schwier berichten von ihrem FSJ: 

Ole Gröger: „Ich wusste bis zu meinem FSJ eigentlich noch gar nicht, dass ich Theologie studieren wollte. Erst durch mein FSJ in einer Kirchengemeinde wurde ich auf die Idee gebracht. Ich habe unglaublich viele neue Menschen kennenlernen dürfen, sowohl in meiner Gemeinde als auch in den Seminargruppen, und einige Freundschaften knüpfen können, welche weit über die FSJ-Zeit hinaus gehen und mich nachhaltig geprägt haben. Also im Grunde ist es die Gemeinschaft und die Menschen, mit denen ich gearbeitet habe, welche mich am meisten geprägt haben und dafür verantwortlich sind, dass ich heute Theologie studiere.“ 

Chiara Dirks: „Die Mitgestaltung in unterschiedlichen Bereichen der Kirche, wie digitale und analoge Gottesdienste, bei Lebensfeiern zum Beispiel Konfirmationen und Taufen, in der Öffentlichkeitsarbeit, sowie die Arbeit mit Konfirmanden und Konfirmandinnen unter anderem in Projekten wie Konfirmandenfreizeiten und Kinderbibelwochen, haben mich sehr geprägt und meinen Wunsch nach meinem Freiwilligendienst ein Theologiestudium zu beginnen, bekräftigt. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hat mir innerhalb des FSJs am besten gefallen. Ich kann mir daher sehr gut vorstellen, nach dem Studium ins Pfarramt zugehen und mich als Pastorin in vielen kirchlichen Bereichen zu engagieren.“ 

Laura Schwier: „Mein FSJ (in der Kirchengemeinde und Flüchtlingshilfe) hat mich enorm geprägt: Mein FSJ hat mir ein Jahr Zeit gegeben, um mich selbst kennenzulernen und herauszufinden, was ich machen möchte. Nun studiere ich schon ein paar Jahre Theologie und bin unfassbar glücklich; immer wieder merke ich die ganzen hilfreichen Fähigkeiten, die ich im FSJ erworben habe. Und auch für meine zukünftige Arbeit als Pastorin durfte ich durch mein FSJ schon so viele Erfahrungen mit Menschen machen, sodass ich mich einfach darauf freuen kann, ohne Panik haben zu müssen, wie es wird.“ 

 

Hintergrundinfo 

Freiwilligendienste bieten jungen Menschen die Möglichkeit, Verantwortung für die Gesellschaft und das soziale Miteinander zu übernehmen. Freiwilliges Engagement ist eine wichtige Säule für eine vielfältige Gesellschaft sowie elementar für unsere Demokratie. 

Die Diakonie in Niedersachsen bietet jährlich für bis zu 750 Menschen die Möglichkeit, einen Freiwilligendienst zu absolvieren. In vielfältigen Einrichtungen der Diakonie wie Kirchengemeinden, Kitas, Schulen, Krankenhäusern, Einrichtungen der Behindertenhilfe und Senior*innenheime engagieren sie sich für sechs bis 18 Monate, in der Regel sind es 12 Monate. 

Der Freiwilligendienst dient dazu, die Persönlichkeit der jungen Menschen zu unterstützen, die die Diakonie in Niedersachsen mit verschiedenen Seminarangeboten unterstützt. 

 

Wie wirken sich die Kürzungen auf die diakonischen Einsatzstellen in Niedersachsen aus? 

  • Im Land Niedersachsen gibt es keine Landesförderung des Freiwilligen Sozialen Jahres im sozialen Bereich. Fehlende Bundesmittel können somit nur durch die Erhöhung von Einsatzstellenpauschalen kompensiert werden.  

  • Angesichts der Kostensteigerungen und der Tarifabschlüsse werden die Kosten für einen Freiwilligenplatz grundsätzlich steigen. Dazu müssten dann die Kürzung der Bundesmittel durch die Einsatzstellen kompensiert werden.  

  • Viele Einsatzstellen werden dann nicht mehr in der Lage sein, einen Freiwilligendienstplatz zu finanzieren. Dies wird insbesondere kleinere Einsatzstellen treffen, die schlecht refinanziert sind. Dazu sind auch Kindertagesstätten zu zählen. 

 

Welche Folgen hat das für die Gesellschaft?  

  • Die mehrdimensionalen Bildungsseminare, die Pflichtbestandteil eines jeden Freiwilligendienstes sind, ermutigen zu demokratischem und zivilgesellschaftlichem Handeln. Damit leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung eines Demokratieverständnisses, der Selbstwirksamkeit und eines Verständnisses der sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung des/ der Einzelnen und fördern damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt.  

  • Einsparungen dagegen könnten die Schwächung des gesellschaftlichen Zusammenhalts befördern. In einer Zeit, in der eine demokratiefeindliche, rechtspopulistische Partei Umfragewerte von 21% hat, ist es alarmierend, wenn Politik in dieser Zeit ein so erfolgreiches Instrument wie das FSJ schwächt.  

  • Die Pandemie hat bei Kindern und Jugendlichen erkennbare Spuren hinterlassen. Ängste im direkten Umgang mit anderen, fehlende Teamerfahrung, mangelnde Konfliktfähigkeit sind nur ein Ausschnitt der belegten Folgen, die auch wir in unserer Arbeit mit den Freiwilligendienstleistenden wahrnehmen. Persönlichkeitsentwicklung und soziales Lernen sind zentrale Inhalte unserer seit Jahren erfolgreichen Bildungsarbeit. Sie bietet Zeit und Raum, sich in Kooperations- und Konfliktfähigkeit zu üben. Freiwilligendienstleistende gewinnen neue Sichtweisen und überprüfen eigene Einstellungen und Positionen. 

  • Nachweislich erlangen die Freiwilligendienstleistenden durch ihren praktischen Einsatz und die pädagogische Begleitung eine Beschäftigungsfähigkeit, die durch Erziehung und Schule heute nicht mehr selbstverständlich ist. Davon profitieren mittel- und langfristig auch Ausbildungsbetriebe und die Wirtschaft. 

  • Der Anteil der Freiwilligen mit einem Sprachniveau unter B2 liegt in den Freiwilligendiensten im DWiN mittlerweile bei 9%. Diese Freiwilligendienstleistenden sind in das Bildungsprogramm integriert, erlernen die deutsche Sprache und erhalten so die Zugangsvoraussetzung zu Ausbildung und Arbeitsmarkt in Deutschland. 

  • Der Anteil, die sich nach ihrem Freiwilligendienst für eine Ausbildung oder Studium im sozialen oder pflegerischen Bereich entscheidet, liegt seit Jahren konstant bei 60%. Freiwilligendienste beeinflussen demnach vermutlich die Berufswahl hin zu sozialen/ pflegerischen oder pädagogischen Berufen und wirken dem Fachkräftemangel in dieser Branche entgegen. Eine Kürzung der Bundesmittel für den Freiwilligendienst würde somit mit einer Schwächung der Gesellschaft einhergehen.   

 

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